Ein Stolperstein zu Ehren von Dr. Olga Philipp
Nauen, Hamburger Straße 4
Steinpate: Viele Spender
Verlegung: 11. Mai 2006
Leben:
Zum
Zeitpunkt
der
Verlegung
2006
war
uns
nur
weniges
über
Dr.
Olga
Philip
bekannt.
Der
Hamburger
Historiker
Björn
Eggert
recherchierte
Staatsarchiv
Hamburg,
741-4
(Alte
Einwohnermeldekartei
1892-1925,
mikroverfilmt),
Karteikarten
von
Ernst
Philip
sowie
Hedwig
Philip
und
Staatsarchiv
Hamburg,
332-5 (Standesämter), 1993 u. 2694/1881 (Geburtsregister 1881, Olga Philip). für uns folgendes:
Olga
Philip
wurde
am
2.
Juli
1881
in
Hamburg-St.
Georg
in
der
Straße
Beim
Strohhause
73
geboren.
Ihr
Vater
Mendel
Ernst
Moritz
Philip
(geb.
16.07.1853
in
Glückstadt)
war
Kaufmann
und
erwarb
das
Hamburger
Bürgerrecht,
was
auf
gesicherte
wirtschaftliche
Verhältnisse
hindeutet.
Ihre
Mutter,
Hedwig
Philip
geb.
Scheuer
(geb.
09.03.1856
in
Düsseldorf)
hatte
laut
Einwohnermeldekartei
noch
drei
weiteren
Kindern
das
Leben
geschenkt:
Emma
Elsa
(geb.
12.03.1879),
Alice
(geb.
05.04.1880)
und
Conrad
Eugen
(geb.
15.02.1891).
Die
Familie
wohnte
von
1894
bis
1901
in
Hamburg-Borgfelde
in
der
Güntherstraße
36.
Nach
dem
Tod
von
Ernst
Philip
am
8.
Dezember
1901
lebte
die
Familie
noch
vier
weitere
Jahre
in
der
Wohnung,
ehe
sie
sich am 3. März 1906 nach Berlin in die Regensburgerstraße 13 abmeldete.
Durch
weitere
Internetrecherchen
wurde
inzwischen
bekannt:
Nach
ihrem
Medizinstudium
an
der
Berliner
Universität
erhielt
Dr.
Olga
Philip
ihre
Berufszulassung
1919.
In
diesem
Jahr
wurde
sie
mit
einer
Arbeit
über
„Appendizitis
und
Krieg
auf
der
chirurgischen
Station
des
Krankenhauses
im
Friedrichshain
zu
Berlin“
promoviert.
Schließlich
wirkte
Dr.
Olga
Philip
in
Nauen
als
erfolgreiche
und
beliebte
Kinderärztin,
seit
1921
als
niedergelassene
Ärztin.
1938
wurde
ihr
Berufsverbot
erteilt.
Ein
mündlich
überbrachter
Gruß
aus
dem
Warschauer
Ghetto im Jahr 1943 war das letzte Lebenszeichen von ihr.
Die
Nauenerin
Ursula
Arzbächer
recherchierte
2001/2004
zu
Dr.
Olga
Philip
und
fand
heraus:
an
sie
„gibt
es
in
der
Familie
ihrer
ehemaligen
Haushälterin
noch
sehr
persönliche
Erinnerungen.
Fräulein
Frida
Friedrich
(1904-1985)
kam
durch
eine
Annonce
in
der
Zeitung
1932
von
Berlin
aus
nach
Nauen
und
führte
der
alleinstehenden
Frau
Dr.
Philip
bis
1938
den
Haushalt.
Praxis
und
Wohnung
befanden
sich
im
1.
Stock
des
Hauses
Hamburger
Straße 4, und oben im Dachgeschoss wohnte Fräulein Friedrich.
Frau
Dr.
Philip
gehörte
einer
christlichen
Glaubensgemeinschaft
an.
Ihr
Bruder
war
mit
einer
nichtjüdischen
Deutschen
verheiratet.
Ihre
Arbeit
wurde
allseits
hoch
geschätzt,
so
dass
man
ihr
im
1.
Weltkrieg
die
Leitung
des
Kreiskrankenhauses
Nauen
übertrug.
Später,
wieder
in
ihrer
eigenen
Kinderarzt-
Praxis
wirkend,
fand
sie
große
Anerkennung
für
ihre
selbstlose
Arbeit zum Wohle ihrer kleinen Patienten.
Als
Fräulein
Friedrich
1938
Herrn
Dibowsky
heiratete,
ließ
Frau
Dr.
Philipp
die
Kirche
in
Markee
mit
Rosen
ausschmücken
und
schenkte
den
neuvermählten
ein
wertvolles
Porzellan-Service,
das
sich
heute
noch
in
den
Händen
der
Familie
befindet.
Die
Schriftzüge
der
Ärztin
sind
als
Widmung
in
einem
Buch
erhalten
geblieben,
dass
sie
1936
ihrer
Haushälterin
nach
vierjähriger
Tätigkeit
in
ihrem
Hause
überreichte.
Die
beiden Töchter der Familie haben noch weitere Erinnerungsstücke aufgehoben.
Mit
dem
am
25.07.1938
verhängten
totalen
Berufsverbot
für
„nichtarische“
Ärzte
waren
auch
Frau
Dr.
Philip
die
Hände
gebunden.
Danach
befragt,
warum
sie
denn
nach
all
den
entwürdigenden
Umständen
noch
weiter
in
Neuen
bliebe,
gab
sie
zu
verstehen,
dass
sie
ja
einen
Eid
geschworen
haben
und
sich
daher
den
hilfesuchenden
Menschen
gegenüber
verpflichtet
fühle.
Frau
Dr.
Philip
war
im
November
1938
auch
den
Übergriffen
der
Nazis
ausgeliefert.
Einige
Zeit
danach
wandte
sie
sich
an
den
Tischlermeister
Weizenegger
in
der
Marktstraße
mit
der
Bitte,
ihre
beschädigte
Wohnungstür
zu
reparieren.
Kein
Wort
über
die
Ursache
des
Sachadens.
Der
Meister
gab
seinem
damaligen
Lehrling
Kurt
Raschke
den
Auftrag,
abends
dort
vorbeizugehen,
um
den
Schaden
zu
beheben.
Doch
sein
Vater,
der
selbst
Erfahrungen
im
Widerstand
gegen
die
Faschisten
gesammelt
hatte,
ließ
ihn
nicht
alleine
gehen.
Vorsichtshalber
betraten
sie
das
Grundstück
des
Bauern
Thöns,
zu
dem
das
Wohnhaus
in
der
Hamburger
Straße
4
gehörte,
über
den
Hintereingang
von
der
Schützenstraße
aus,
um
keine
Aufmerksamkeit zu erregen. So konnte dann der Schaden behoben werden.
Als
Frau
Dr.
Philip
eines
Tages
der
Familie
Dibowsky
in
der
Dammstraße
einen
Besuch
abstattete,
tauchte
kurz
nach
ihrem
Weggehen
ein
Nazi
auf,
der
sich
Gewissheit
verschaffen
wollte,
aus
welcher
Wohnung
sie
gekommen
war.
Für
die
Familie
auch
ein
beängstigendes
Gefühl,
waren
doch
Kontakte
zwischen
Ariern
und
Juden untersagt. Danach bat Frau Dr. Philip darum, sie nicht mehr auf der Straße anzusprechen.
Jüdische
und
nichtjüdische
Ärzte
in
Nauen
hatten
bis
zur
Zuspitzung
der
politischen
Lage
untereinander
guten
Kontakt.
Für
die
Kinder
von
Herrn
Dr.
Walter
Kron,
der
1920
Chefarzt
des
Kreiskrankenhauses
wurde,
war
Frau
Dr.
Philip
‚Tante
Philip‘.
Die
Ehefrauen
von
Herrn
Dr.
Kron
und
Herrn
Dr.
Hodesmann
trafen
sich
in
gemeinsamen Kaffeekränzen, und auch die Kinder der beiden Ärzte waren gut miteinander bekannt.
Als
1941,
als
alle
Juden
zur
Zwangsarbeit
verpflichtet
waren,
soll
Frau
Dr.
Philip
in
Berlin
bei
Siemens
gearbeitet
haben.
In
der
Familie
Dr.
Kron
erinnert
man
sich
daran,
dass
etwa
1943
ein
SS-Mann
vor
der
Tür
stand
und
angab,
er
solle
aus
dem
Warschauer
Getto
einen
Gruß
von
Frau
Dr.
Philip
bestellen.
Danach
blieb
ihr Schicksal im ungewissen.“
(Dr. Ines Oberling)
Ursula Arzbächer: Aus der Geschichte der Stadt Nauen. Die ehemalige Jüdische Gemeinde. Nauen 2001, S. 30f.
Staatsarchiv Hamburg, 741-4 (Alte Einwohnermeldekartei 1892-1925, mikroverfilmt), Karteikarten von Ernst Philip sowie Hedwig Philip und Staatsarchiv
Hamburg, 332-5 (Standesämter), 1993 u. 2694/1881 (Geburtsregister 1881, Olga Philip).